Begegnung mit dem Tod (2)
Der Tod meines Mannes
Anzeichen, dass etwas nicht stimmte, gab es zuvor einige, aber meine häufigen Aufforderungen, sich doch mal gründlich untersuchen zu lassen, ignorierte er. Doch irgendwann musste mein Mann sich der Untersuchung und dann der Diagnose stellen, dass er Krebs in fortgeschrittenem Stadium, und dieser bereits in die Knochen gestreut hatte.
Ich vergesse nie den Tag, als er nach Hause kam und zu mir sagte: „Ich werde bald sterben. Da ist nichts mehr zu machen.“
Wie wollen Sie jemanden trösten, der für sich erkennen musste, dass er den richtigen Zeitpunkt, dem Krebs Einhalt zu gebieten, aus eigenem Verschulden verpasst hatte?
Die meisten Menschen leben, als gäbe es den Tod nicht. Sie vergessen, dass wir mit der Geburt in Raum und Zeit nur eine begrenzte Lebensspanne zur
Verfügung haben.
Irgendwann stellt sich aber die Frage:
Was haben wir aus unserem Leben gemacht?
Wie sind wir mit unserem Körper, unserem
physischen Gefährt auf der Erde umgegangen, in den wir hineingeboren wurden? Haben wir ihn gar mutwillig zerstört durch Trinken,
exzessives Rauchen, ständige Fehlernährung usw.?
Ein halbes Jahr später bekam mein Mann frühmorgens einen schweren Herzinfarkt, kam ins Krankenhaus und lag auf der Intensivstation.
Zwei Tage später, als ich gerade dort war und mit der behandelnden Ärztin in der Nähe seines Bettes stand, setzte plötzlich sein Herz aus.
Wir hörten den durchdringenden langen Piepton ... es war vorbei.
Die Ärztin sah mich fragend an: “Sollen wir reanimieren?“
Ich antwortete: „Bitte nein. Mein Mann hat Knochenkrebs im Endstadium und starke Schmerzen. Er hat es endlich geschafft.“
Sie erwiderte: „Nicht viele Menschen reagieren so wie Sie und können den Tod akzeptieren.“
Nachdem die Schwestern die Verkabelung von seiner Brust entfernt und den Monitor beiseite geschoben hatten, sahen wir plötzlich, wie
mein Mann einen tiefen Atemzug machte und von sich aus wieder zu atmen begann!
Ich weiß nicht, wer von uns beiden entgeisterter aussah – die Ärztin oder ich.
Mir war sofort klar, dass mein Mann, der stets eine furchtbare Angst vor dem Tod gehabt hatte, meine Worte vernommen und von der anderen Ebene aus
begriffen hatte, dass er soeben für tot erklärt worden war. Das musste ihm einen so großen Schreck eingejagt haben, dass er sozusagen wieder
zurück in den Körper „gesprungen“ war. Die Silberschnur, die die Seele an den Körper bindet, war bei ihm wohl noch nicht ganz durchgerissen gewesen trotz
längerem Herzstillstand.
Man brachte ihn kurz darauf in ein Einzelzimmer, damit er in Ruhe sterben konnte. Ich rief einen lieben Freund an, der daraufhin die ganze Nacht durchfuhr,
um sich von ihm zu verabschieden zu können. Beide standen wir tags drauf an seinem Bett und flüsterten miteinander, während mein Mann leise vor sich hin jammerte.
Auf einmal hörten wir ein Lied im Park vor seinem Fenster erklingen, ganz zart und leise, wunderschön und sehr bewegend – sanfte, zarte Stimmen eines Chors
und traumhaft schöne Klänge.
Verdutzt schauten wir uns an, liefen zum Fenster und hielten Ausschau nach den Sängern im Park. Aber da war niemand zu sehen – keine Menschenseele!
Ausgerechnet ein Volkslied aus dem Erzgebirge war zu hören, von woher mein Mann stammte ... Aber woher wußten Sie ...?
Der Text ist so bezeichnend:
`S is Feierobnd (Es ist Feierabend) von Anton Günther (1876 – 1937)
(hier der Text der letzten Strophe in Mundart):
Gar manichs Harz hot ausgeschlogn,
vorbei is Sorg on Müh,
on übern Grob ganz sachte zieht
e Rauschen drüber hi.
's is Feierobnd, 's is Feierobnd.
Es Togwark is vullbracht,
's gieht alles seiner Haamit zu,
ganz sachte schleicht de Nacht.
Gar manches Herz hat ausgeschlagen
vorbei ist Sorg‘ und Müh‘
Und über dem Grab ganz sachte zieht
ein Rauschen drüber hin
`s ist Feierabend, `s ist Feierabend
Das Tagwerk ist vollbracht,
`s geht alles seiner Heimat zu,
ganz sachte schleicht die Nacht
Es war mir, als sei der Himmel aufgegangen und wollte ihm und uns sagen, dass er bald "abgeholt" werden würde.
Und so kam es auch ein paar Stunden später.
Während mein Mann ruhig schlief, war ich kurz nach Hause gefahren um frische Wäsche zu holen. Als ich das Krankenzimmer wieder betrat und mich an
sein Bett setzte, spürte ich es sofort — es ging los. Er hatte ersichtlich mit dem Sterben auf mich gewartet, weil er nicht allein sein wollte:
Sein Körper begann in leichten rhythmischen Wellen zu zucken, beginnend von den Füßen an.
Ich streichelte ihn und redete sanft auf ihn ein: „Ist nicht schlimm, bleib ruhig, lass es einfach zu... gleich kommt wieder ein Ziehen ... jetzt weiter
oben ... jetzt im Bauchbereich, da wird es etwas mehr zerren ... aber das ist gleich vorüber ...
Woher ich die Worte nahm, weiß ich nicht mehr. Sie waren Eingebung. Ich spürte, wie sich seine Seele aus dem Körper zurückzog, von den Füßen an in Wellen
Richtung Kopf und wie sie dabei von den Energiezentren, den Chakren, zerrte.
Plötzlich wurde sein Kopf winzig klein, wie der eines Babys, drehte sich etwas, als winde er sich durch einen Geburtskanal, dehnte sich dann wieder aus und fiel
zur Seite. Etwas Blut floss aus seinem Mund. Die Augen waren gebrochen - es war nun endgültig vorüber.
Minutenlang blickte ich sein würdevolles Totengesicht an sagte zu dann: „Jetzt hast du es endlich geschafft. Komm, wir gehen nach Hause.“
Dann holte ich die Krankenschwester, packte seine Sachen zusammen und fuhr wie in Trance nach Hause.
Wie still und ruhig es auf einmal im Haus war, jetzt, wo er von mir gegangen war.
Aber darin hatte ich mich getäuscht. Mein Mann war zwar gestorben, aber er dachte nicht dran, sein Zuhause zu verlassen! Sagte ich etwas, wovon ich
wusste, dass er anderer Meinung war und sich im Leben immer darüber aufgeregt hatte, bekam ich Herzrasen, und konnte seine Verärgerung wie
früher körperlich spüren.
Bald überließ ich ihm das Wohnzimmer, ging in das EG und schaute von dort auf einem Sessel Fernsehen.
Und jedes Mal bewegte sich dann der dicke Trennvorhang zwischen zwei Räumen — aber nicht in Richtung des normalen Luftzugs schwingend – nein – quer
zur Luftzugrichtung, und das auffallend stark! Das nervte mich nach einer Weile, also stand ich auf, zog den Vorhang zurecht, setzte mich wieder hin, nur um diesen
kurz darauf wieder in Bewegung zu sehen! Das war definitiv nicht normal!
Mein verstorbener Mann spukte also im Haus herum.
Jede Nacht um eine bestimmte Uhrzeit begann der Glas-Kronleuchter über mir an der Holzdecke zu rasseln, genau wie früher wenn er in der Etage höher
fest stampfend zum TV lief, um eine bestimmte Sendung aufzunehmen (es gab damals noch keine Fernbedienung):
Tapp-tapp-tapp ... dabei Gerassel-rassel-rassel
– kurze Pause (Videorekorder einschalten) –
zurück tapp-tapp-tapp ... Gerassel-rassel-rassel.
Nach einer 20 Min dasselbe Spiel – diesmal um den Videorekorder auszuschalten: Bob Ross Aufnahme beendet.
Es war zwar gespenstisch, machte mir aber keine Angst. Mir war klar, er lebte sein gewohntes Leben in feinstofflicher Form im Haus einfach weiter. Und so überließ ich ihm zunächst das gesamte Wohnzimmer, ohne etwas zu verändern.
Es war wohl ein Fehler gewesen, ihn nach seinem Tod "einzuladen", mit mir wieder zurück in sein Haus zu gehen, erkannte ich.
Auch zu glauben, dass das Ganze nach einiger Zeit enden würde, wenn er sich an den Zustand im Jenseits gewöhnt hatte, und sein physisches
Ende begreifen würde, war eine Täuschung. Er blieb etwa 2 Jahre im Haus spür- und hörbar und somit in meinem Leben und war danach für mich
oft in einer Ecke sitzend zu „sehen“, bis auch diese Erlebnisse weniger wurden.
Jetzt ist er wohl „angekommen“ und meldet sich nur noch selten – aber dann über die Traumebene.
Heute kann ich sagen, dass ich sehr dankbar für dieses wirklich bewegende Sterbeerlebnis bin. Es hat mir deutlich gezeigt, dass unsere Welt, so wie wir sie kennen, nur ein kleines Spektrum von etwas viel Größerem um uns herum darstellt.